Rede zum Haushalt 2023

Liebe Bürgermeisterin, liebe Verwaltung, liebe Ratskolleginnen und -Kollegen,

Und wieder ist ein Jahr um, die Haushaltsrede muss geschrieben werden und ich komme mir dabei vor wie bei „Täglich grüßt das Murmeltier“. -Habe ich das nicht letztes Jahr an dieser Stelle auch schon gesagt? 

Haben wir das nicht 2020 auch schon gefordert? Ich komme mir albern vor, das gleiche aufzuschreiben und doch bleibt wenig anderes übrig, weil sich -außer dass wertvolle Zeit verstrichen ist – nicht viel an den Fakten geändert hat.

Die finanzielle Lage und der Blick in die Zukunft sind düster. Steuern wir doch Ende 2026 auf 71 Millionen Euro Schulden zu. Die aktuell prall gefüllte Ausgleichsrücklage von 58 Millionen soll bis Ende 2026 auf 10,7 Millionen schrumpfen. Eventuell droht sogar ab 2025 eine Haushaltssicherung.

Die Baustellen sind mehr, die Krisen dramatischer und die Lösungen komplexer und teurer geworden. Neben den Worten Nachhaltigkeit und Gesundheit waren 2022 vor allem Sicherheit und Unabhängigkeit Schlüsselwörter, hinter denen sich elementare Grundbedürfnisse ganzer Generationen verbergen. Wie das Weltgeschehen uns hier in Coesfeld beeinflusst und auch beeinträchtigt, haben wir 2022 definitiv zu spüren bekommen: 

-Energiepreise sind drastisch gestiegen und stellen Einrichtungen, Betriebe und Privathaushalte vor finanzielle Herausforderungen, die nicht jede/r wuppen kann.

-Baustoffpreise, Lieferengpässe und mangelndes Fachpersonal lassen so manchen Traum vom Eigenheim, aber auch ganz gewöhnliche Reparaturen und Instandhaltungen wanken bis platzen und Betriebe um die Zukunft bangen.

-Und am Allerwichtigsten: vielen Menschen aus Kriegs- und Krisengebieten müssen sichere, warme, ausgestattete Unterkünfte, Sprachkurse und das Nötigste, was man zum Leben braucht, zur Verfügung gestellt werden.

Klimawandel, Corona, Krieg in Europa,… da könnte einem der städtische Haushalt ja fast wie das geringste Problem vorkommen, doch nur mit soliden Zahlen werden wir die Katastrophen der Zukunft auch nur annähernd meistern können. Als ich hier vor 2 Jahren anfing, wurde mir von einigen hier im Raum gesagt: Sarah, Du machst Politik für Coesfeld, was woanders passiert, braucht dich nicht zu interessieren. Das habe ich nicht vergessen und ich halte das immer noch und eigentlich heute noch mehr als damals schon, für ganz großen Käse. So, wie sich die großen Probleme der Welt bis zu uns in den Stadtrat runterbrechen, so haben wir die Verantwortung uns diesen auch zu stellen. Kommunale Verantwortung bedeutet nicht, zu warten dass andere vor uns eine Lösung finden und wir uns einfach dranhängen können. Solche Verantwortung übernehmen heißt auch nicht, dass wir die Lösung für alles schon wissen müssen. Und trotzdem müssen wir eine Meinung und Haltung zu den Entwicklungen/Dingen haben und diese trotz einer ungewissen Lage oder ungewissen Zeiten auch mutig vertreten. So manches Mal im letzten Jahr haben wir die Aussage gehört „Wenn das irgendwann von oben so vorgeschrieben wird, dann können wir das ja immer noch machen.“ Aber wir sind doch gewählt um mit unseren Möglichkeiten die aktuellen Herausforderungen zu meistern und darüber hinaus mit dem nötigen/bestmöglichen Weitblick nachhaltige Vorsorge zu leisten, um langfristig unseren Lebensstandard halbwegs halten zu können. Doch dazu gehört auch in Zeiten des Mangels Prioritäten zu setzen, und auch mal klar zu vertreten, dass es nicht alles und schon gar nicht immer alles sofort geben kann. 

Übermorgen ist Weihnachten und ich habe von vielen befreundeten Familien gehört, dass sich - aufgrund der gestiegenen Energiekosten- dieses Jahr gar nichts geschenkt wird. Wir haben ja auch alle alles, die Schränke sind voll. „Nur die Kinder bekommen was“, heißt es zum Beispiel auch in meiner Familie.

Und so wie in diesen Familien hätten wir es dieses Jahr vielleicht auch noch mehr machen müssen. Spätestens nach unserem Workshop zu den geplanten Projekten. Wir hätten vielleicht sagen müssen: „Kind, du kannst dir dieses Jahr vieles wünschen. Eine Nintendo Switch, das Barbie Traumschiff, ein Pferd, das Heimathaus, einen Springbrunnen, die Feuerwache. Aber Mamas und Papas Geld ist dieses Jahr knapp, deswegen wird es das meiste davon erst mal leider nicht geben.“

Natürlich tut es weh, den Menschen bereits in die Hand Versprochenes „wegzunehmen“ und erst mal auf Eis zu legen. Aber wäre das nicht angesichts der Lage - in noch viel mehr Fällen als geschehen- ratsam und vielleicht auch verantwortungsbewusst gewesen? Den Menschen vorzugaukeln, wir könnten noch aus dem Vollen schöpfen, ist Veräppelung oder sogar fahrlässig. Haushalten (Synonyme) bedeutet, sich einschränken, sich etwas einteilen, rationieren, sein Geld zusammen halten, sparen, maßhalten, sich begrenzen, sich begnügen.

Wir haben so vieles, und wir wollen in der Zukunft noch viel mehr. Zeitgleich kommen aber immer wieder unvorhersehbare Ereignisse, die hohe finanzielle Auswirkungen nach sich ziehen können. Wir sollten uns lieber gestern als morgen daran gewöhnen, den Menschen, für die wir Entscheidungen treffen sollen/dürfen, klar zu machen, dass die Ressourcen endlich und die Zeiten des „Alles ist möglich“ vorüber sind. Wer so tut, als könnten und müssten wir immer noch alles bauen, alles versiegeln, einigen wenigen, die mit Geldscheinen wedeln jeden Wunsch erfüllen, der verspielt auf Dauer wertvolle Ressourcen und Zeit und vielleicht auch das Vertrauen der Menschen. Denn Märchen wie „Wachse oder weiche“, „Kauf dich glücklich“ ,“Ich kann mit meinem Eigentum machen, was ich will“, sind ausgeträumt. Das ist nicht Weltuntergang, sondern eine Neuordnung von Werten. „Weniger ist mehr“, „Eigentum verpflichtet“, „Qualität statt Quantität“, „Nachhaltigkeit und Gemeinwohl vor Profitorientierung und Umsatzsteigerung“. Ich glaube, dass wir mit solchen Maximen viele Probleme in den Griff bekommen können.

Investitionen in Kinder, Jugend und Bildung, generell in Menschen, Klimafolgenanpassung und soweit noch möglich Klimaschutz, sowie gutes Personal in der Verwaltung: daran sollten wir auf keinen Fall sparen.Wir brauchen ein starkes Klimaschutzmanagement, wir brauchen den Klimaschutzfonds um Privatpersonen mitzunehmen. Wir brauchen das Mobilitätskonzept und die Mobilitätswende, wir brauchen ein Integrationskonzept für Geflüchtete und gute Unterstützung für die, die zu uns kommen. Wir brauchen mehr eigene Immobilien, um Wohnraum für die bereitzustellen, die wenig verdienen. Wir brauchen junge Menschen, die hier gern zur Schule gehen und auch danach bei uns bleiben, weil Coesfeld einfach schöner ist und eine hohe Lebensqualität für Jung und Alt bietet. Dafür braucht es keine größeren Discounter, keinen größeren Schlachthof, nicht noch mehr Parkplätze und kein abgeschnittenes Kopfsteinpflaster. Auch in vielen anderen Bereichen bin ich mir sicher, dass wir etwas bescheidener werden müssen bzw.Uns auf das wesentliche besinnen.

Und weil Weihnachten ist, habe ich noch einen Wunsch. Ich möchte nicht nächstes Jahr wieder das Gefühl haben, immer das Gleiche aufzuschreiben. Ich wünsche mir von uns allen (da schließe ich mich ein) Mut und Ehrlichkeit. Den Mut zu Projekten auch mal klar NEIN zu sagen, als halbherzig oder mit den oft angeführten, angeblich gefühlten „Bauchschmerzen“ JA. Die Ehrlichkeit keine Wahlversprechen zu machen oder Begehrlichkeiten zu wecken, die keiner dann bezahlen kann. Vieles von dem, was dieses Jahr mehrheitlich verabschiedet wurde fällt für uns- angesichts der Krisen, in denen wir bis zum Halse stecken- unter Luxus und geht zu Lasten/auf Kosten zukünftiger Generationen. Und den Menschen muss leider klar gemacht werden, dass letztendlich alles von ihrem Steuergeld bezahlt wird.

Denn selbst bei allen Anstrengungen die Ausgaben zu reduzieren, muss auch immer der Blick auf die Einnahmen erlaubt sein. Auch für die Stadt wird alles teurer, also brauchen wir konsequenterweise verlässliche Einnahmen um all die wichtigen aufgeführten Dinge und unsere guten städtischen Strukturen zu erhalten und zu finanzieren, weswegen wir eine Erhöhung der Grundsteuer B beantragt haben. Mit dem Wissen von heute ist das schon in diesem Jahr angebracht und nicht erst im Laufe der nächsten Jahre.

Ich wünsche mir eine Politik, die die langfristigen Auswirkungen auf unsere Ressourcen und das Klima an oberster Stelle mit in die Entscheidung über Zustimmung oder Ablehnung einbezieht und wir nicht so wirtschaften, als gäbe es kein Morgen mehr oder 3 Erden zu verbraten. Es geht um nicht weniger als eine Zukunft in Coesfeld für eure Kinder und Enkel, die dem Leben heute auch nur annähernd noch gleicht. 

Wir tragen den Haushalt 2023 mit, werden zukünftig aber nur noch solche Ausgaben unterstützen, die einer Klimaneutralität Coesfelds in wenigen Jahren nicht widersprechen.

Vielen Dank. Und egal wie viel oder wenig dieses Jahr unterm Baum liegt, euch allen schöne Weihnachten.



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