Wirtschaftsleben: Der Ochse steht als Symbol für den Hauptwirtschaftszweig, den jüdische Coesfelder bis zu den nationalsozialistischen Vernichtungsmaßnahmen betrieben. Oftmals durch gesetzliche Auflagen gezwungen, konnten sie sich –zumal in ländlichen Räumen – (preußische Zeit und früher) nur für den Viehhandel als Beruf entscheiden. Gegenüber - Walkenbrückenstraße 30 - befindet sich das Haus einer jüdischen Viehhändlerfamilie, die es 1930 verkaufte. Die heutigen Besitzer haben das Baudenkmal sorgsam restauriert. Im linken Teil, hinter dem großen Tor des Ackerbürgerhauses, befanden sich die Stallungen für die angekauften Rinder, Ochsen und Pferde. 1925 lebten in Coesfeld 12 jüdische Familien als Gewerbetreibende. Acht der insgesamt 16 ausgewiesenen Vieh-und Pferdehändler in der Stadt waren Mitglieder der jüdischen Gemeinde und hatten überwiegend ihren Geschäftssitz im Umkreis von 200 Metern von der Stelle, an der sich der Ochse befindet. 2010 installierten der Kunstverein und der Stadtmarketingverein an 13 historisch bedeutsamen Orten einen stilisierten Ochsen. Aber auch an vielen weiteren privaten und öffentlichen Gebäuden und Plätzen findet sich das Abbild: Wohl dem, der so souverän mit seinem Wappentier umgehen kann!
Ehemalige Synagoge: Die jüdischen Coesfelder feierten ihre Gottesdienste seit 1750 in einem Gebäude in der Weberstraße. 1810 begann man mit einem Synagogenneubau in der Weberstraße 7. Die jüdische Schule befand sich mit dem Schulraum und der Lehrerwohnung direkt an der Weberstraße. 1903 wurde die jüdische Schule grundlegend umgebaut. Der Gebäudekomplex verband die Synagoge mit dem Schulhaus und bildete jetzt eine architektonische Einheit. Der Zugang zum Betsaal war rückwärtig in der zweigeschossigen Fassade. Im Innern kam man zunächst in einen Vorraum, von dem aus man über einen Treppenaufgang zur Frauenempore gelangen konnte. Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts wuchs die jüdische Bevölkerung in Coesfeld kontinuierlich an und erreichte 1855 ihren Höchststand. Bereits 1848 wurde die Synagogengemeinde Coesfeld geschaffen. Gegen den Willen der umliegenden Ortsgemeinden gehörten nun auch die jüdischen Mitbürger*innen aus Billerbeck, Darfeld, Darup, Gescher, Osterwick und Rorup zur Synagogengemeinde Coesfeld. Es kam zu regelmäßigen Streitigkeiten und immer wieder zu Unabhängigkeitsbestrebungen. Die jüdischen Billerbecker haben Coesfeld nie als Hauptgemeinde anerkannt und erklärten 1911 aus finanziellen Gründen ihren Austritt aus der Synagogengemeinde Coesfeld, gefolgt 1912 von den Gemeindemitglierden aus Gemen. Die Synagogengemeinde Coesfeld brach auseinander. Das hatte zur Folge, dass der Schulbetrieb eingestellt werden musste. Auch der Wegzug wohlhabender Familien schwächte die Steuerleistung der Gemeindemitglieder und führte zu einem stetigen Niedergang der Coesfelder Gemeinde. 1935 gab es noch 35 in Coesfeld ansässige Juden. In der Pogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 wurde der Betsaal verwüstet. Zu einer Brandstiftung kam es wegen der engen Bebauung und der Gefahr für die angrenzenden Häuser in der Weberstraße nicht. Dafür wurden zahlreiche Privathäuser jüdischer Familien demoliert. Für 1000 Reichsmark erwarb der Nachbar Dr. Vagedes das verwüstete Synagogengebäude. Die jüdischen Gottesdienste fanden jetzt im Haus der Familie Eichenwald in der Kupferstraße 10 statt.
Deportationstag: In den frühen Morgenstunden des 10. Dezember 1941 wurden 19 transportfähige jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger aus Coesfeld von der Gestapo in der Kupferstraße 10 abgeholt und in den heutigen Schlosspark gebracht. Hier warteten bereits weitere Juden aus dem Münsterland auf ihre Deportation nach. Im Auftrag der örtlichen NSDAP-Leitung machte der Fotograf Anton Walterbusch ein Gruppenbild der 19 jüdischen Coesfelder. Zwei Abzüge dieser Aufnahmen sind erhalten geblieben, die heute im Stadtarchiv Coesfeld aufbewahrt werden. Sie zeigen: Jacob und Wilhelmine Cohen (geb. David), Hermann und Ida Cohen (geb. Frank), Emma Cohen (geb. Leffmann), Gustav Cohen, Ludwig Cohen, Paul David, Dora Eichenwald (geb. Weinberg), Salomon Eichenwald, Martha Freund (geb. Cohen), Richard Freund, Karlheinz Freund, Henriette Goldschmidt (geb. Hertz), Samuel Goldschmidt, Josef Nathan und Ella Nathan (verh. Slanowitsch). Nach dem Fotografieren mussten die Coesfelder einen LKW besteigen und wurden mit den Juden aus den umliegenden Orten nach Münster zum Gertrudenhof gebracht. Es war die Sammelstelle für die jüdischen Einwohner aus Münster und dem Münsterland. Am 13. Dezember begann die Todesfahrt für 1.031 jüdische Personen aus dem Münsterland, Münster, Osnabrück und Bielefeld mit der Deutschen Reichsbahn nach Osten in eine ungewisse Zukunft. Ankunft in Riga war der 16. Dezember 1941. Für die meisten wurde die Reise in das Ghetto in Riga zu einer Fahrt ohne Wiederkehr. Was bleibt, ist ein Foto und ein „nach unbekannt verzogen“ im Einwohnermeldeverzeichnis der Stadt Coesfeld. Das Foto vom 10. Dezember 1941 diente als Vorlage für die Gestaltung einer Gedenkstele für die in das Ghetto nach Riga deportierten jüdischen Coesfelder. Die fast in Lebensgröße dargestellte Gruppe wurde am 25. Juni 2017 im Schlosspark vom Bürgermeister Heinz Öhmann und Vertretern des Rigakomitees feierlich enthüllt.
Das Ghettohaus in der Kupferstraße 10: Das Haus des Händlers Salomon Eichenwald in der Kupferstraße 10 wurde ab Oktober 1939 zum Ghettohaus für die noch in Coesfeld lebenden jüdischen Mitbürger bestimmt. Am 10. Dezember 1941 wurden alle transportfähigen Bewohner von der Gestapo in den Schlossgarten zur anschließenden Deportation über Münster nach Riga in Lettland gebracht.
Jüdische Friedhöfe: Spätestens seit dem ausgehenden 17. Jahrhundert gab es einen jüdischen Begräbnisplatz in Coesfeld. Der alte jüdische Friedhof, heute nur noch am dort belassenen Grabstein von Herz Isaak auf dem Grünstreifen am Gerichtsring erkennbar, wurde von 1678 bis 1896 belegt. Er musste Ende des 19. Jahrhunderts aufgegeben werden. Ähnlich wie die christlichen Friedhöfe wurde auch er außerhalb der Bebauung an der Osterwicker Straße neu eingerichtet. Dreizehn Grabsteine des alten Friedhofs wurden auf dem neuen Friedhof an der Osterwicker Straße wieder aufgestellt. Der neue jüdische Friedhof wurde ab 1896 für Bestattungen genutzt. Die letzte Beisetzung fand 2008 statt. Es sind 47 Grabsteine erhalten. Betritt man den Friedhof, erinnert heute eine Gedenkstele an die Verfolgung und Ermordung von jüdischen Coesfeldern während der nationalsozialistischen Terrorherrschaft zwischen 1933 und 1945. Eine bronzene Außentafel wurde in einer Gedenkstunde zum 70. Jahrestag der Novemberpogrome am 9. November 2008 neben der schmiedeeisernen Eingangstür enthüllt. Der Coesfelder Architekt Paul Schürmann hat die Bronzeplatte entworfen, die auch auf die Geschichte des jüdischen Friedhofs hinweist. Der kleine Friedhof ist heute Ort des kollektiven Erinnerns an die in der Shoa vernichtete jüdische Gemeinde.